Nicht mehr die gefährlichste Band der Welt – GNR Konzertbericht – Olympiastadium, Berlin 03.06.18

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Alter, ich habe Guns n Roses 1988 in Donington gesehen. Sie waren gerade explodiert. Es war so früh nachdem ihre Breakout-Single Sweet Child herauskam, dass sie gebucht wurden. Im Monat vor dem Festival waren sie plötzlich in aller Munde. Sie waren großartig, elektrisch und versprühten reine Rebellenenergie. Es war alles, was Rock n Roll sein konnte und sollte.

Dann gab es die 90er Jahre – Axls Nervenzusammenbruch und Ego-Trip auf Steroiden, als er sich den Namen der Band schnappte und alle anderen Gründungsmitglieder rausschmiss – oder die Dinge so unangenehm für sie machte, dass sie von selbst gingen. Izzy Stradlin, der Gitarrist, der mit Axl nach L.A. zog und die Band mit ihm zusammenstellte war der Erste, der aus dem Flugzeug stieg und alles zurückließ. Slash wandte sich immer mehr den Drogen zu, Schlagzeuger Steven Adler war schon längst durchgedreht und Duff am Bass war anscheinend der Letzte, der Abschied nahm, kurz bevor seine Leber implodierte. Er musste dem Alkohol für immer abschwören.

GNR ’88: Alles, was eine Rock’n’Roll-Band sein sollte. Gewaltige Energie, explodieren, implodieren, Überdosen, Entzugstherapien, das volle Programm. Dann nichts mehr.


Ich denke, das ist das Problem. Es hätte bei Nichts bleiben sollen.

Ich weiß, wenn man eine Band besucht, die vor dreißig Jahren Helden für einen waren, sollte man nicht erwarten, dass dieselben Musiker, die man damals gesehen hat, wieder vor einem stehen. Dessen bin ich mir bewusst und darum geht’s auch gar nicht.

Aber ich habe mehr erwartet, ich habe viel mehr erwartet.

Das größte Problem war, dass Axls Stimme einfach nicht präsent war. Was einst ein frenetischer Schrei war, hat sich im Laufe der Jahre in…..naja, einen tragisch gescheiterten Versuch, denselben Schrei hin zu kriegen, verwandelt.

Es gab bestimmte Probleme, die der Band nicht zuzuschreiben sind: der Sound war schlecht, besonders am Anfang – schlammig und durcheinander. Axls Stimme war weit unten im Mix vergraben, was das Ganze nicht grade besser machte. Es hat sich über das Konzert hinweg verbessert, aber trotzdem…

Die Lichteffekte war auch nicht sehr gut. Zumindest in der ersten Hälfte des Konzerts schien es so, als hätte sich keiner die Mühe gemacht, überhaupt irgendwelche Scheinwerfer auf die Bühne zu stellen. Wir beobachteten die Band im Halbdunkeln.

Aber ansonsten war es ein wenig enttäuschend.

Das größte Problem war, dass Axls Stimme einfach nicht präsent war. Was einst ein frenetischer Schrei war, hat sich im Laufe der Jahre in…..naja, einen tragisch gescheiterten Versuch, denselben Schrei hin zu kriegen, verwandelt.

Die meisten guten Sänger entwickeln sich, gehen in bestimmte Richtungen, reifen, oder reifen nicht, aber sie bleiben in Bewegung. Ihre Stimme verändert sich in ihren Dreißigern, Vierzigern, Fünfzigern in ein anderes Instrument und sie lernen, anders damit umzugehen.

Doch Axl scheint das nicht umgesetzt zu haben. Er versucht immer noch genau das zu tun, was er mit 27 Jahren getan hat, nur mit dem Unterschied, dass seine Stimmbänder einfach nicht mehr in der Lage sind, das wie damals mitzumachen. Das lässt ihn sich abmühen und dabei scheitern, die Lieder genau so zu behandeln, wie vor dreißig Jahren, anstatt sich den Liedern so an zu nähern, dass sie sowohl mit seiner Stimme, wie sie heute ist, als auch mit dem Rest der Band, wie sie heute ist, funktionieren.

Und komm schon, ich will wirklich nicht gemein sein, aber was ist mit dem geschmeidigen, pantherartigen Frontmann (und seinem Sinn für Fashion) passiert, wie er mir in Erinnerung geblieben ist? Axl ist heute ein wenig, naja, froschähnlich. Er trabt pflichtbewusst die Bühne rauf und runter, wie er es als seine Bestimmung erachtet, aber das Gefühl der Aufregung, das vorher da war, ist weg.

Das coolste Mitglied der Band war, denke ich zumindest, Duff McKagan. Jetzt ist er’s definitiv. Er scheint der Einzige zu sein, der gut gealtert ist. Vielleicht ist es einfacher für Bassisten, ich nehme aber auch an, dass das strikte Alkoholverbot in den letzten zwanzig Jahren ohne einen Tropfen Alkohol auch seinen Teil dazu beigetragen hat. Duff war da, lehnte sich zurück, nickte, spielte Bass. Sah dabei cool aus. Gut gemacht, Duff.

Abgesehen davon, dass Duff cool aussah, war der andere Höhepunkt des Konzertes für mich, als sie den Session-Gitarristen ein dreiminütiges Solo spielen ließen, bei dem er Slash’s mäandrischen und unoriginellen Versuche so sehr übertrumpfte, dass sie ihm das wahrscheinlich für die Zukunft verwähren (dies war die erste Nacht einer Europatournee).

Duff war da, lehnte sich zurück, nickte, spielte Bass. Sah dabei cool aus. Gut gemacht, Duff.

Was noch? Oh ja, die Kommunikation mit dem Publikum. Da gab’s keine. Etwa fünf Songs lang sagte Axl Guten Morgen. Fünf Songs später sprach er für ein oder zwei Minuten lang darüber, wie er eigentlich früher nach Deutschland kommen wollte, aber nicht durfte.

Ich will Positives finden, das will ich wirklich. Aber es ist schwierig. Der einzige Song, bei dem ich der Ansicht bin, er habe, abgesehen von Axls Stimme, wirklich gut funktioniert, war Live and Let Die. Auch Sweet Child. Es war rührend zu sehen, wie das ganze Stadion aufstand und mitsang. Ein Lied für Liebhaber aus deiner Jugend.

Die Nacht wurde vielleicht am besten von unserem Kumpel Esel Ehnes in seinem Facebook-Post zusammengefasst:

“Die gefährlichste Band der Welt? Die Eichhörnchen auf dem Friedhof, wo meine Großmutter begraben ist, sind gefährlicher.”

Foto von Raph_PH [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], über Wikimedia Commons

Rückblick auf Guns & Roses bei der Guns N Roses Not In This Lifetime Tour – live im Olympiastadion in Berlin am 03.06.18

 

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