Die guten neuen Zeiten: Radio Moscow im Festsaal Kreuzberg

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Bandgründer und -leader Parker Griggs besteht darauf, dass Radio Moscow keine rückwärtsgewandte Retro-Band, sondern ein „direkter Abkömmling der Goldenen Ära des Rock“ ist. Damit beschreibt Griggs grob den Zeitraum 1965-1975. Vorbilder des Power-Trios aus Iowa sind folgerichtig sowohl Psychedelic-Blues-Bands wie Jimi Hendrix Experience oder Ten Years After als auch frühe Heavy-Metal Formationen wie Deep Purple oder Black Sabbath. Und Radio Moscow sind von allem nur das Beste? Stimmt nicht ganz.

Einige hundert Rock-Jünger hat es heute in den Festsaal Kreuzberg verschlagen. Mit langen Haaren, Kopftüchern, Leder- oder Jeansjacken mit Badges der Lieblingsbands und vielen tätowierten Unter- und Oberarmen sieht das Publikum aus wie eine eingeschworene Metal-Gemeinde. Unter ihnen finden sich auch einige Mädels mit aufwändiger Horror-Schminke und erinnern daran, dass ja heute Halloween ist. Besonders fallen sie gar nicht auf.

Guitarist and singer Parker Griggs from Radio Moscow during a concert in Berlin, 2017Woodstock meets Wacken

Um kurz nach 21 Uhr schreitet Parker Griggs selbst auf die Bühne, um seine Effektgeräte aufzubauen. Er trägt eine braune Lederweste über einem buntem Hemd und wirkt tatsächlich, als käme er gerade vom Woodstock-Festival. Aus einem Plastikbecher trinkt er, was wie O-Saft aussieht (Screwdriver?).
Aus der schon lange nicht mehr nüchternen ersten Reihe schallen ihm sogleich lautstarke Begrüßungen und Liederwünsche entgegen. Griggs freut sich und installiert lächelnd das Equipment für die kommende Gitarren-Hexerei.

Das Konzert beginnt mit einigen schnellen Songs, die vor allem auf harte Riffs setzen. Die große Vorfreude im Saal kanalisiert sich zu Begeisterungsrufen, Fäuste werden in die Luft gereckt. Bassist Anthony Meier spielt mit unnachgiebiger Intensität, in perfektem Gleichschritt mit Griggs, mit dem er oft Blickkontakt hält. Schlagzeuger Paul Marrone gerät hinter diesem Duo etwas in Vergessenheit, bekommt während des ganzen Konzerts auch nur ein oder zwei Möglichkeiten für kurze Solo-Einlagen. Trotzdem ist natürlich er es, der die Lieder dieses Trios mit seiner einfachen aber kraftvollen Spielart nach vorne peitscht.

Bassist Anthony Meier from Radio Moscow during a concert in Berlin, 2017Es gibt nichts Neues unter der Sonne

Nach dem starken Auftakt wechseln Radio Moscow unbemerkt ins Psychedelic-Gefilde. Das Tempo (nicht aber die Lautstärke!) wird etwas heruntergeschraubt und Griggs zaubert mit Wah-Wah-Pedal und anderen Effektgeräten minutenlange Gitarrensoli daher. Das ist zwar gekonnt und durchaus ansprechend, hebt sich aber in keiner Weise von den Blaupausen der eingangs genannten Vorbilder ab.
Gleiches Gefühl, als die Band dann mit „Deep Blue Sea“ von ihrem ersten, selbstbetitelten Album noch einen Blues auspackt: gut gespielt, aber durch nichts besonders. Griggs hat zudem für einen bewegenden Blues nicht genug Gefühl in der Stimme, während er sich als Rocksänger durchaus präsentieren kann.

Nach anderthalb Stunden Konzert + Zugabe verabschieden Radio Moscow ein durchaus zufriedenes Publikum. „Zehnmal besser als auf Platte!“ höre ich neben mir jemanden im Gespräch sagen. Auch ich hatte einen guten Abend, bin aber nicht bewegt. Trotz guten Zusammenspiels und ordentlicher Bühnenpräsenz stellen Radio Moscow mit bekannten Zutaten nichts bahnbrechend Neues an. Spielen können sie. Sie landen bei mir aber doch in der Schublade, gegen die sie sich selbst so sehr verwehren.

Text und Bild: Bastian Geiken

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