Ist das schon Science Fiction? Short Storys von Gerd Rödiger

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Eine begeisterte Leserin (Hallo Petra!) schlug mir vor, mir doch mal die Kurzgeschichten von Gerd Rödiger anzusehen und zu rezensieren, wenn sie mir gefallen. Was soll ich sagen, sie gefallen, sogar sehr. Rödigers Storys sind zum Teil Reinkarnationen, die zuerst in Magazinen wie c’t erschienen sind, zum Teil neu erdachte Geschichten. c’t, das weist schon darauf hin, worum es in diesen Appetithäppchen geht, die einem hoffentlich denselben nicht verderben: Die nahe Zukunft, die mögliche Zukunft, Technologie und Technik, Erfindungen und Entwicklungen, die wir uns alle vorstellen können, vielleicht aber nicht vorstellen mögen.

Drohnen, Roboter und Zeitreisen

Da gibt es nervige Paketzusteller-Drohnen, menschenähnliche allzumenschliche Roboter, vermietete Gehirne, Zeitreisen auf Bestellung, grausige medizinische Experimente, und eine seltsame Lösung des Problems des Bienensterbens. Es gibt Laser, W-LAN und Nano-Technologie, alles gar nicht so weit weg von unserem Jetzt und Hier. Der Autor hatte einige seiner Ideen allerdings schon vor zehn Jahren, als die meisten von uns fliegende Paket-Drohnen und 3D-Drucker noch für ferne Zukunftsmusik hielten. Damit reiht er sich natürlich nahtlos in die Riege der visionären Zukunftsschriftsteller ein, die uns seit Verne und Wells begeistern und gruseln.

Wilde, aber gut abgeschmeckte Mischung

Rödigers Short Storys bewegen sich mit spielerischer Leichtigkeit und Freude am Makabren zwischen Krimi, Horror, SF und scheinbar ganz normalen Alltagserzählungen, nur dass der Alltag eben jeden Moment in etwas Anderes, Abgründiges, Furchtbares umschlagen kann. Dazu eine Schaufel Lakonik und eine Prise Ironie: Herausgekommen ist eine Mischung, die durchaus auch jenen Lesern gefallen kann, die ansonsten mit Science Fiction und dergleichen rein gar nichts am Hut haben.

Echo der Großmeister

Ich wurde mehrfach an Grusel-Großmeister erinnert, zum Beispiel Edgar Allen Poe („Black Noise“ kann man gut mit „The Facts in the Case of M. Valdemar“ im Hinterkopf lesen) oder auch Stephen King („Dumb Dust“ als „Der Mangler 2.0“). Und als in „Sleepworx“ die Frage nach den Träumen eines Roboters gestellt wurde, kam mir spontan der Titel von Philip K. Dicks Roman Do Androids Dream of Electric Sheep in den Sinn, auf dem der Film Blade Runner basiert. Illustre Gesellschaft, aber Gerd Rödiger braucht sich als Autor dazwischen nicht zu verstecken.

Bitte mehr davon!

Ich habe die Storys aus den beiden Sammelbänden Crawler und Black Noise (gemeinsam mit José v. Ramos) gelesen, und es ergibt sich ein Kaleidoskop von kurzen Splittern einer nahen, alternativen Zukunft, die von unserer verrückten Realität wahrscheinlich schon ganz bald übertroffen wird. Bei vielen Geschichten bleibt auch die Spekulation, wie es weitergeht. Man möchte am liebsten mehr als diese eine bunte Scherbe seiner gruseligen Welt anschauen, mehr Futter für die Fantasie als diesen Appetithappen. Wer weiß, vielleicht serviert Rödiger uns ja demnächst auch mal einen ganzen Roman?

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