Rapper Olli Banjo über „Großstadtdschungel“, Rassismus, Willy Brandt und seinen Glauben

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Olli Banjo gehört zu den vielseitigsten und interessantesten MCs Deutschlands. Seit 15 Jahren mischt er im deutschen Rapgeschäft mit. Musikalisch hat er immer wieder neue Wege beschritten, veröffentlichte gar zuletzt unter dem Alias Wunderkynd ein Rock-Album, mit dem er sich auch als Musiker und Sänger profilierte. Nach diesem Experiment legt Banjo nun wieder ein vollwertiges Rap-Album vor. Am 28.07.2017 erscheint „Großstadtdschungel“ bei Bassukah.

„[„Großstadtdschungel“] ist kein Song, der die Großstadt nur feiert.“

indieberlin: Olli, dein neues Album „Großstadtdschungel“ ist im Kasten. Am 28.07. kommt es raus. Du bist jetzt in dieser spannenden Wartezeit bis zum Album-Release. Wir fühlt es sich an?

Olli Banjo: Aufregend, wie immer. Ich hab ja schon ‘n paar Platten gemacht aber man wird darin nicht routinierter. Man ist immer aufgeregt und gespannt, wie die Platte ankommt.

indieberlin: Du hast diesmal fast alle Beats selbst gemacht. War das von Anfang deine Intention, diesmal noch mehr selbst in die Hand zu nehmen?

Olli Banjo: Nö. Also beim letzten Album „Dynamit“ war’s so, da wollte ich unbedingt alles selber machen. Aber hier hat’s sich einfach so ergeben. Ich hatte dann einfach selbst ‘n Haufen guter Beats gemacht. Aber ich hab mir auch viel angehört. Liebe Beatproduzenten, schickt mir weiterhin Beats! Ist nicht so, dass ich jetzt jedes Album selbst produzieren will.

indieberlin: „Großstadtdschungel“ heißt das neue Album und auch die erste Single. Es geht darin um das wilde Großstadtleben, das du mit allerhand rauen Tierwelt-Metaphern beschreibst. Darf Berlin das Lied als kleine Ode an sich interpretieren?

Olli Banjo: Ja. Aber eigentlich hat mich Köln zu dem Song inspiriert.

indieberlin: Das Video habt ihr aber nicht in Köln aufgenommen?

Olli Banjo: Nein, das haben wir in Bangkok gedreht. Wir dachten, das ist ‘ne tierische Stadt, die sehr lebendig ist aber auch Abgründe zeigt. [„Großstadtdschungel“] ist nämlich kein Song, der jetzt die Großstadt nur feiert. Zwischen den Zeilen ist der Text ja auch ziemlich sozialkritisch.

„[In Deutschland] ist es mittlerweile eher so’n subtiler Rassismus geworden. […] Es ist dieser Blick, dieses Unterschwellige, zwischen den Zeilen Gesagte.“

indieberlin: Die Platte ist überhaupt dieses Mal sehr kritisch und vor allem sehr politisch geworden. Du sprichst viele Mißstände an, z.B. Ausbeutung in der Dritten Welt und Walfang vor Japan. Dein größtes Thema ist aber der gerade international um sich greifende und auch in Deutschland wieder aufkeimende Rassismus. Stimmt es, dass du, als du mal in den USA warst, um ein Musikvideo zu drehen, selbst Rassismus erfahren hast?

Olli Banjo: … Naja, ich hab schon gemerkt, dass dieses klassische Schwarz-Weiß Ding in Amerika immer noch tief verankert ist. Viel krasser als bei uns. [Was wir hier erleben] ist Pipifax dagegen.

indieberlin: Wurdest du in Amerika eher als Schwarzer wahrgenommen, als als Deutscher, also als Ausländer?

Olli Banjo: Ja, teilweise schon. Es ist gemischt. Es kommt drauf an, wo man mit wem ins Gespräch kommt. In Santa Monica, in L.A., da hatte ich unterschiedlichste Erlebnisse. Ich hab ein älteres Paar getroffen, die waren wirklich nett und auch interessiert: „Ah ja, Deutschland, interessant. Das ist doch da direkt neben Norwegen?“ Aber dann war ich in ‘nem Pizzaladen, da wollten mich ‘n paar Weiße komisch behandeln, das war so’n subtiles Ding. Und das hab ich mir nicht gefallen lassen.

indieberlin: In Amerika ist die Sache zugespitzter als in Deutschland?

Olli Banjo: Unbedingt! Man merkt, dass da hunderte Jahre der Sklaverei einfach ihre Spuren hinterlassen haben. Obwohl es jetzt schon so viele Generationen her ist, ist das nach wie vor in den Köpfen drin. Schwarze und Weiße leben auch oft getrennt, das ist wirklich krass. Ich hab mich immer gefreut, wenn ich mal ‘n gemischtes Pärchen gesehen hab.

indieberlin: Könntest du einen Vergleich ziehen zum Rassismus in Deutschland?

Olli Banjo: Ja, es ist in Amerika viel eindeutiger. Hier ist es mittlerweile eher so’n subtiler Rassismus geworden. Da ich nicht in Dresden oder Magdeburg wohne, bin ich zum Glück in den letzten Jahren vom offensiven Rassismus [, den es ja auch gibt,] verschont geblieben. Wobei man natürlich immer mal so Momente erlebt, wo man Backpfeifen verteilen will. Aber es ist eher dieser Blick, eher dieses Unterschwellige, zwischen den Zeilen Gesagte. Und in Amerika erlebt man das sehr viel offener.

„Brandt und Strauß waren Charaktere, die immerhin noch gestritten haben.“Olli Banjo Großstadtdschungel Album Cover

indieberlin: Im Song „Wir sind das Volk“ bringst du eine Referenz, bei der ich aufgehorcht habe: „Es gibt keinen Willy Brandt im Kanzleramt mehr“. Wie ist das zu verstehen? War Willy Brandt für dich ein Staatsmann von einem Kaliber, das heute fehlt?

Olli Banjo: So ist es. An Willy Brandt konntest du dich noch reiben, weißt du. Und an Strauß auch. Ich bin politisch eher links einzuordnen, trotzdem sind das für mich beides Charaktere, die immerhin noch offen gestritten haben. Willy Brandt hat damals mal ‘ne Talkshow verlassen und gesagt: „Ich rede so hier mit Ihnen nicht weiter“. Sowas macht doch heute keiner mehr! Und er war nicht käuflich. Nicht mal für Macht. Kein „Wir müssen an der Macht bleiben und deswegen verabschieden wir genau jetzt dieses Gesetz, weil es gerade dem Zeitgeist entspricht.“ Nein, der Typ hatte Ideale!

indieberlin: Und das vermisst du in der heutigen Politik?

Olli Banjo: Ja! Ich muss sagen, mein letztes Idol war Joschka Fischer. Bis zum Jugoslawienkrieg. Ich hab immer Grün gewählt. Aber ich kann die jetzt nicht mehr wählen. Leider. Immer noch ‘ne gute Partei, vom Ansatz und von ihrer Geschichte her. Aber ich kann sie nicht mehr wählen.

indieberlin: Was hältst du denn von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidaten?

Olli Banjo: Im Europäischen Parlament fand ich ihn stark. Er hat mal einen türkischen Politiker zusammengefaltet hat, der sich rassistisch gegen Kurden geäußert hat. Da hat Schulz ganz klar Stellung bezogen und gesagt: „Rassismus hat hier keinen Platz!“ und hat den Typen sogar noch beschimpft. Da hatte er auch Kante.

Als Kanzlerkandidaten kann ich ihn aber irgendwie gar nicht beurteilen. Es gab da ja ‘n ganz krassen Hype, der aber auch genau so schnell wieder weg war. Vielleicht hätt’ er da selbst ein bisschen auf die Bremse treten und sagen sollen: „Leute, macht mal halblang. Ich will Politik mit Substanz machen.“ Aber klar, ist leicht gesagt. Wenn dir sowas passiert, schwimmst du natürlich auf der Welle mit.

„Gott hat keine Enkelkinder, Gott hat nur Kinder.“

indieberlin: Das Album hat neben der politischen auch eine sehr persönliche Seite. Einen Song, den ich hier herausstechend finde, ist „Böser Junge“; eine Gospel-beschwingte Beichte, in der du dich vor dem Herrn auf die Knie schmeißt und ihn um Vergebung bittest für deine Willenlosigkeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht.

Olli Banjo: Richtig.

indieberlin: Mich würde interessieren: rühren die echten Gefühle, die mit Sicherheit in diesem Text stecken, eher aus der Vergangenheit oder ist das bei dir tatsächlich immer noch eine Beschreibung der Gegenwart? Bist du nicht unterdessen sesshaft geworden?

Olli Banjo: Nee, ich bin nicht sesshaft geworden aber ich bin auch nicht mehr der böse Junge von früher. [Das Lied] hat schon mit meiner Vergangenheit zu tun, als ich noch etwas anders drauf war. Aber jetzt ist er, glaub ich, sogar relativ stolz auf mich, also Gott, Jesus.

indieberlin: Ich fühl das Lied sehr. Es macht Spaß aber hat auch eine ernsthafte Seite, indem es fragt: 1. Wer lebt es denn gut vor? Wer taugt denn als Vorbild? und 2. Wie viel Selbstkontrolle ist gut und wie viel ist zu viel?

Olli Banjo: Ganz genau. Ich bin deswegen auch kein Fan der katholischen Kirche, überhaupt nicht. Ich glaube zum Beispiel, dass das Zölibat schwierig ist. Die ganzen Probleme mit Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche hängen sicher auch damit zusammen. In der Bibel sagt Paulus: „Wenn du Gott besser dienen kannst ohne Frau, dann tu es!“ – Wenn! Das heißt nicht, du musst! – Wenn du willst, mach es! Wenn nicht, darfst du aber auch heiraten. In der evangelischen Kirche machen die das viel besser. Ich glaub, wenn du deinen natürlichen Trieb so krass abschneidest, kriegst du irgendwann Probleme.

indieberlin: Du bist gläubig.

Olli Banjo: Sehr.

indieberlin: Bist du gläubig erzogen worden oder hattest du einen anderen Weg zum Glauben?

Olli Banjo: Gott hat keine Enkelkinder. Gott hat nur Kinder. Das heißt, du musst selbst entscheiden. Du kannst auch Pfarrerssohn sein und dich trotzdem gegen Gott entscheiden. Das ist freiwillig. Gott fragt dich. Überhaupt: jeder hat die Möglichkeit, zu Gott zu kommen. Steht doch in der Bibel: „Wer anklopft, dem wird aufgetan.“ Er hat’n Herz für jeden und will jeden gerne bei sich haben.

Aber nein, ich bin nicht religiös erzogen worden. Ich hatte ‘ne Glaubensschwester in der Abiturszeit. Die hat es mir vorgelebt und dann bin ich von Gott tatsächlich getroffen worden. Er hat mich berührt und seitdem bin ich… ein Nachfolger Jesus, hoffentlich.

German rapper Olli Banjo official press photo by Robert Maschke„Chrystal Meth sind keine blauen Bonbons.“

indieberlin: Auch der Song „Charlie Brown“ hat mich zum Nachdenken gebraucht. Das ist ein Mutmach-Song, wo du jemandem sagst: „Halt den Kopf hoch, steh das alles durch!“ Die Hook singst du selbst. Wo ist der Bezug zu der Cartoon-Figur Charlie Brown?

Olli Banjo: Das ist ‘ne Metapher. Du kennst ja Charlie Brown, den sympathischen depressiven Jungen mit dem gelb-braunen Pulli… Ich hab auf Tour ‘n Mädchen kennengelernt, die hat mit 14 Jahren angefangen, Chrystal Meth zu nehmen. Die hat mir Einiges erzählt. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es an der bayerisch-tschechischen Grenz ‘ne krasse Chrystal Meth Szene gibt. Und sie war da mit drin.

Die Geschichte von dem Mädchen hat mich einfach so bewegt, dass ich das mit dieser Comic-Figur Charlie Brown verarbeiten wollte, die auch immer so traurig ist, obwohl man nicht weiß warum. Vielleicht können ein paar Leute das fühlen.

Weißt du, Chrystal Meth, das sind keine blauen Bonbons. Das ist auch eine Kritik an Netflix und „Breaking Bad“. Ich liebe „Breaking Bad“ aber wie das Zeug da verharmlost wird, find ich doch ‘n bisschen krass.

Interview: Bastian Geiken
Pressefotos: Katja Kuhl, Robert Maschke

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