Große Kunst sogar für Nicht-Italiener: Afterhours Konzertbericht mit Bilder-Galerie

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Manuel Agnelli hat nach einer ersten kurzen Ansage etwas etwas fragende Blicke zurückgelassen: “Are there any non-Italians in here? Kill them!”

Die italienische Band Afterhours haben im Laufe ihrer nun schon fast dreißigjährigen Geschichte so einige Personalwechsel hinter sich und die einzige Konstante ist bis heute Frontmann, Sänger und Gitarrist Manuel Agnelli. Jahrgang ’66 ist er somit nicht nur zeitlich als Urgestein anzusehen.

Instrumentell steht die Band allerdings auf festem Fundament. Insgesamt vier elektrische Gitarren – davon eine Bassgitarre – werden vom Schlagzeug und einem Violinisten verstärkt. Bei einigen wenigen Songs kommt auch eine Lapsteelgitarre und ein Piano zum Einsatz.

Präsentiert werden in knapp zwei Stunden hauptsächlich Songs vom 2016 erschienen Album Folfiri o Folfox sowie dem 2012er Vorgängeralbum Padania. Dabei hangeln sich Afterhours stilistisch größtenteils entlang des Alternative-Rock Fadens.

Ein kontroverser Empfang

Sänger Manuel Agnellis rauhe Stimme passt äußerst gut ins Stimmungsbild. Auch wenn er nach einer ersten kurzen Ansage “Are there any non-Italians in here? Kill them!” etwas fragende Blicke zurücklässt.

Afterhours keyboard in berlin caterina gili concert

Was er damit meint, weiß er wohl nur selber. Vielleicht war er sich etwas zu sicher, dass exklusiv italienisches Publikum anwesend ist. Jedenfalls wechselt er bei den wenigen noch folgenden Ansprachen zwischen den Songs konsequent auf Italienisch. Vielleicht auch um weitere Ausrutscher zu vermeiden.

Krachgewitter, das einen an Swans erinnern lässt

Die erste Genreunterbrechung gibt es mit dem Song San Miguel vom neuen Album. Dieser wird völlig ohne Schlagzeug und in choralem Mönchgesang dargeboten. Dazu prügelt einer der Gitarristen wahlweise mit der blanken Hand oder mit einem Holzstück auf die Lapsteelgitarre ein und produziert ein Krachgewitter, das einen an Bands wie Swans erinnern lässt.

Der erste Song, bei dem das Publikum sich zum beherzten Mitsingen hinreißen lässt, ist das folgende poppige Non Voglio Ritrovare welches ebenfalls auf dem neuen Album zu finden ist. Darauf folgt mit Cetuximab ein weiteres Noise Bonmot, für welches der Violinist sein Instrument kurzerhand gegen eine zweite Bassgitarre tauscht, welche heftig verzerrt zusammen mit dem Rest eine Wand aus instrumentalem Chaos aufbaut.

Entzückung und Kloß – große Kunst!

Den stärksten Kontrapunkt neben all den typischen Alternative-Rocksongs bietet der Titeltrack des neuen Albums Folfiri o Folfox. Nachdem Manuel Agnelli die Gitarre beiseite gestellt hat, beginnt er zum staccato-artigen Drumgroove einen seltsam heiter anmutenden Tanz aufzuführen. Dazu spricht er in ebenso seltsam anmutender Art und Weise repetitiv “Meglio Folfiri o meglio Folfox?” – besser Folfiri oder besser Folfox?

Afterhours guitarist live in berlin caterina gili concert

Bei diesen zwei Wörtern handelt es sich um verschiedene Chemotherapiemethoden zwischen denen sich vermutlich Manuels mittlerweile verstorbener Vater nach seiner Krebsdiagnose entscheiden musste. Angesichts dieser doch schwerwiegenden Thematik wirkt die heitere musikalische und tänzerische Darstellung wahnsinnig grotesk und lässt einen zwischen Entzückung und Kloß im Hals pendeln – große Kunst!

Dass sich im Zwischenteil dieses Songs Agnelli noch ans Piano setzt und mit gutturaler Bassstimme begleitet, wirkt schon fast normal, bevor man wieder in den vorherigen Wahnsinn zurückgleitet. Die reguläre Spielzeit endet mit Ci Sono Molti Modi vom 2005 erschienen Album Ballate Per Piccole Iene. Das Publikum singt so stimmkräftig mit, dass Manuel sich stellenweise tiefzufrieden vom Mikro zurücklehnt und seinen Gesang komplett aussetzt.

Kurze Angst vor der Verbindung Kabel und Mikrofon

Als erste Zugabe feuern einem Afterhours “La Verita Chè Ricordavo” von 1999 um die Ohren. Dazu lässt Manuel erneut die Gitarre stehen und schleudert das Mikro am Kabel mit erschreckend hoher Geschwindigkeit wie ein Ninja um seinen Körper.

In vorderer Reihe stehend, ertappe ich mich dabei wie ich den Kopf schützend senke, da ich Zweifel an der Verbindung Kabel-Mikrofon habe und mir im Kopf ausmale, welchen verheerenden Schaden ein sich loslösendes Mikro an meinem Schädel verursachen würde. Nach zwei weiteren Songs liefern Afterhours mit Bye Bye Bombay musikalisch das Grande Finale mit Bombast-Crescendo und Gitarrenfeedback nur um dann doch noch eine kleine Zugabe mit zwei weiteren Songs an das sehr dankbare Publikum abzuliefern.

Afterhours violinist in berlin caterina gili concert

Altro che noiosi!

Violine keinen Moment nervend

Im großem und ganzen liefert die Band Lehrbuch Rocknummern ab und ergisst mit dezent platzierten Genrebrechern nicht ganz die Abwechslung. Außerdem legt sich der Violinist mächtig ins Zeug und ist auf der Bühne äußerst agil. So agil wie man eben mit einem solch filigranen Holzinstrument zu Werke gehen kann. Allemal hat er nicht so eine Plexiglas Violine ala Vanessa May unter dem Geigenbogen und ist zu keinen Moment des Konzertes nervend – was mit durchgehendem Violineneinsatz garnicht mal so einfach zu bewerkstelligen sein dürfte. Fatto bene!

Alle Bilder von Caterina Gili. Text von Christoph Grzeschik.

 

 

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